Arbeitgeberverbände Siegen-Wittgenstein
In seinen Vorbemerkungen war Christian F. Kocherscheidt, Vorsitzender des Verbandes der Siegerländer Metallindustriellen, auf die Ausgangslage eingegangen: zu viel Bürokratie, zu hohe Kosten im Energiebereich und eine förmlich wegbröckelnde Infrastruktur.
„Der Untergang des Abendlandes ist ausgeblieben“
Mit Blick auf die aktuellsten Wirtschaftszahlen, die erst am Morgen veröffentlicht worden waren, meinte Feld: „Beim Ausrufen einer Rezession wäre ich vorsichtig.“ Allerdings habe sich die von ihm erwartete Stagnation für das laufende Jahr schon frühzeitig abgezeichnet. Immerhin sei die wirtschaftliche Lage in Folge des Ukraine-Kriegs aber nicht so in den Keller gegangen, wie das BASF-Chef Dr. Martin Brudermüller zu Beginn prognostiziert habe. „Der Untergang des Abendlandes ist ausgeblieben.“ Dennoch sank das deutsche Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal in Folge. Experten sprechen dann von einer „technischen Rezession“. Und auch die Nadel des ifo-Geschäftsklimabarometers zeigt nun wieder nach unten, weist eine Stimmung in der deutschen Wirtschaft aus, die so schlecht ist wie im März 2022, kurz nach dem Beginn des Ukraine-Krieges.
Zudem sähen die Rahmenbedingungen abseits des Krieges („das ist nicht allein Putins Inflation“) nicht sonderlich gut aus. Die Bundesregierung und auch viele Prognostiker seien sehr optimistisch, was den Rückgang der Inflation angehe – frei nach einer Textzeile aus dem Lied „Spinning Wheel“ der Band „Blood, Sweat & Tears“: „What goes up, must come down“. Doch einige Effekte blieben eben auf lange Sicht. Die hohen Energiekosten seien „eine Problematik, die nicht mehr weg geht“.
Woher soll Scholz‘ zweites Wirtschaftswunder kommen?
Darum frage er sich auch, welcher Redenschreiber Bundeskanzler Olaf Scholz aufgeschrieben habe, dass ein zweites Wirtschaftswunder bevorstehe: „Wir hatten damals ein Wirtschaftswachstum von 9 Prozent. Die Arbeitskräfte dafür haben wir heute gar nicht.“ Deutschland befindet sich derzeit im Modus der Stagnation. Eine wesentliche Ursache hierfür sei die Bauindustrie. Denn durch die Inflation und die damit verbundenen Zinserhöhungsschritte würden zahlreiche Projekte storniert: „Die Goldgräberstimmung bei den Immobilieninvestoren ist erst einmal vorbei.“ Seines Erachtens bleibe die Inflation erst einmal hoch. „Wie einige Institute für 2024 eine 2 vors Komma bekommen, bleibt das Geheimnis der Prognostiker“, schmunzelte Feld. Probleme aufgrund der Steigerung der Zinsen könnten hoch verschuldete Mitgliedstaaten in der EU wegen der höheren Zinsausgaben haben. Im Falle von Italien schrumpfe dadurch beispielsweise die Galgenfrist, bis die Finanzmärkte hellhörig werden. Diese Gefahr gebe es in Deutschland nicht, dafür lägen die Herausforderungen anderswo. Bei den Energiekosten beispielsweise stehe die Bundesrepublik auf einem zweifelhaften „Siegertreppchen“ mit der Goldmedaille ganz oben. Immer neue Regulierungen legten „Gulliver“ Jahr für Jahr weitere Fesseln an, „bis er sich nicht mehr bewegen kann“.
Kritik an fehlender Digitalisierung im öffentlichen Dienst
Es müsse dereguliert werden, vor allem vor dem Hintergrund zuwiderlaufender Gesetze und Verordnungen: „Versuchen Sie mal, in Deutschland ein denkmalgeschütztes Haus fit für Klimaschutz und Brandschutz zu machen. Da bekommen Sie garantiert Probleme mit den Denkmalschützern!“ Jede Behörde entscheide nach Recht und Gesetz: „Aber so kommen wir nicht weiter.“ Leider sehe er kaum Politiker in Verantwortung, die hier Abhilfe schaffen könnten: „Es gibt Bürgermeister, die handeln wie Unternehmer. Aber es sind leider viel zu wenige.“
Das Bild ist eindeutig. Lars P. Feld plädierte bei seinen Lösungsansätzen für ein Handeln in vier Bereichen: Klimapolitik, Demografie, Digitalisierung und Außenpolitik. Auf dem Feld der Digitalisierung wurde der Ökonom besonders deutlich: „Der öffentliche Dienst ist nicht digitalisiert. Wenn die Mitarbeiter Homeoffice machen und die Akten liegen im Büro – was ist da Office? Das ist überspitzt gesagt bedingungsloses Grundeinkommen!“ Mit Blick auf einen drohenden „heißen“ Konflikt um Taiwan riet der ehemalige Wirtschaftsweise zu wirkungsvoller Abschreckung, nur das könne langfristig helfen. Zumal Deutschlands Wirtschaftsleitung extrem am Tropf Chinas und den Importen von dort hänge.
In der aktuellen Diskussion um die Vier-Tage-Woche und geltende Altersteilzeit-Modelle legte Lars P. Feld mit Blick auf den Renteneintritt der Baby-Boomer-Generation den Finger unbequem in die Wunde: „Es will keiner hören, aber wir müssen länger arbeiten, über 67 Jahre hinaus, sechs Tage in der Woche; weniger Teilzeit, mehr Vollzeit muss das Motto sein.“
Im Hinblick auf den Klimaschutz verwies der Referent auf ein wirksames marktwirtschaftliches Mittel: Die Verteuerung von CO2, so dass der Markt die Dinge regeln kann. Das könne er aber nur, wenn man gleichzeitig internationale Abkommen schließe, um die Bedingungen für alle ähnlich zu halten.
Text: Jan Krumnow/Foto: Julia Förster